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Sonntag, 11. Oktober 2015

Neuapostolische Kirche

Umgang mit Kritikern

In dem gefälschten Lebenslauf wird Wert auf die Feststellung gelegt, dass ich in einer neuapostolischen Familie aufgewachsen bin. Das stimmt. Meine Eltern sind in die Neuapostolische Kirche (NAK) eingetreten, als ich ungefähr ein Jahr alt war. Dass ich evangelisch getauft wurde, erfuhr ich erst viel später, per Zufall. Meine Eltern hatten mir das verschwiegen, sie ließen mich nach ihrem Eintritt in die NAK ein zweites Mal taufen. Dagegen habe ich mich als Kleinkind nicht wehren können, als 13- oder 14-Jähriger hätte ich wohl kaum noch zugestimmt.

Meine Erfahrungen und die Erfahrungen von Mitgliedern anderer Sekten habe ich in den 80-er Jahren in einer Erzählung verarbeitet, die erst "Der Erlöser" und bei weiteren Auflagen "Insel des Zweifels" hieß. 1988 las ein Redakteur des Evangelischen Kirchenfunks Niedersachsen meine Geschichte und war so schockiert, dass er mich um ein Kurzinterview bat. Die Sendung wurde im November 1988 ausgestrahlt. Danach bekam der Redakteur wüste Anrufe von NAK-Mitgliedern, in Hamburg fand eine Krisensitzung der Führungsetage statt, bei der Munition gegen mich gesammelt wurde. In dem Interview hatte ich zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die NAK mit Hitler zusammengearbeitet hatte. Das war der NAK-Führung offenbar besonders peinlich.

Von dieser Krisensitzung erfuhr ich von einem Anrufer, der mir Details schilderte, die ich in einem Brief an die Teilnehmer auf die Hörner nahm. Die NAK erstattete Strafanzeige gegen den Redakteur und gegen mich. Die Staatsanwaltschaft von Hannover schlug das Verfahren nieder und bescheinigte mir gute Recherche. Die Begründung für die Verfahrenseinstellung kursierte später in der evangelischen Kirche als Informationsmaterial über die NAK.

1995 plante ich ein Buch mit dem Titel "Alles Scientology-So geht die Neuapostolische Kirche mit Kritikern um", weil nicht nur ich inzwischen üble Erfahrungen gemacht hatte. So berichtete mir ein ehemaliger NAK-Amtsträger, er habe einen Anruf von einem Onkel eines hohen NAK-Funktionärs bekommen. Bei diesem Anruf sei er massiv bedroht worden.

Mit diesem Vorwurf konfrontierte ich den NAK-Funktionär, bekam aber nur diese Antwort: "Neuapostolische Kirche Baden 22. November 1995 Sehr geehrter Herr Tjaden, Ihr oben erwähntes Fax ist bei uns eingegangen. Als Zwischenbescheid können wir Ihnen leider nur mitteilen, dass Herr Saur bis Anfang Dezember auf einer Auslandsreise ist. Mit freundlichen Grüßen Rüdiger Saur Verwaltungsleiter."

Ebenfalls im November 2015 erzählte mir ein Priester aus Braunschweig, er habe von der NAK Berlin-Brandenburg die Anweisung bekommen, mich "fertig zu machen". Ich bat den zuständigen NAK-Kirchenpräsidenten um eine Stellungnahme. Bekam aber keine.

Meine Recherchen sorgten für immer mehr Wirbel, der Kirchenpräsident der Neuapostolischen Kirche Dortmund bestellte bei mir am 28. November 1995 schon einmal ein "kostenloses Belegexemplar Ihrer journalistischen Bemühungen". Ein anderer NAK-Kirchenpräsident distanzierte sich von "Beschimpfungen oder gar Telefonterror". Der Kirchenpräsident der Neuapostolischen Kirche Baden ließ mich vergeblich auf eine Antwort warten.

14 Tage vor Heiligabend des Jahres 1995 fand in Baden-Württemberg eine Großveranstaltung der NAK statt, der damalige internationale NAK-Chef Richard Fehr widmete sich der Kritik an seiner Glaubensgemeinschaft: "...und zum Schluss kommt hier noch ein Wort auch an die Adresse all jener, die meinen, Gottes Werk könnte man zerstören, man könnte dafür sorgen, dass es untergeht. Es steht in Vers 17 1. Korinther Kapitel 3:´So jemand den Tempel Gottes verderbet, den wird Gott verderben.´ Das hab nicht ich geschrieben, Brüder und Schwestern, sondern das sind die Worte aus der Apostelgeschichte in der Urkirche."

Kritiker hatte bis dahin aber nicht Gott "verdorben", das übernahmen NAK-Mitglieder. Ich konnte ein Lied davon singen, andere auch. 

Mit der Nazi-Vergangenheit der NAK hielt sich Richard Fehr nicht lange auf. Die Gestapo habe die Neuapostolische Kirche als "staatsfeindlich bewertet", deshalb sei dies geschehen: "Unter dem Druck des drohenden Verbots hatte die Leitung der Kirche Versuche unternommen, den Behörden gegenüber den Nachweis zu liefern, dass die Kirche staatstragend sei. Muss ich das wiederholen, damit es alle verstehen?" Anschließend wiederholte Richard Fehr diesen Satz und fügte hinzu: "Sie brachte dem nationalsozialistischen Staat insoweit Zugeständnisse entgegen, als es nötig erschien, dem Verbot zu entgehen. Und indem die Kirche ihre Eigenständigkeit bewahren konnte, verschaffte sie ihren Mitgliedern die Möglichkeit - ungeachtet der totalitären, staatlichen Beeinflussung - ein nach christlichen Werten orientiertes Leben zu führen."

Wollte damals ein Jude NAK-Mitglied werden, wurde er an die Gestapo verraten...

So ging es in meiner Kindheit in der NAK zu: "Nach mir kommt keiner mehr"

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